Geschichte der Bank für Schiffahrt (BfS)
Die Geschichte der Bank für Schiffahrt (BfS) – Est. 1911
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Gütertransportvolumen infolge der Industrialisierung Deutschlands und des starken Anstiegs der Nachfrage nach Massenguttransporten von Baustoffen, Kohle, Erz, Eisen- und Stahlprodukten sowie Getreide immer mehr zu. Dabei spielte die Binnenschifffahrt in den großen Stromgebieten Oder, Elbe und Rhein eine bedeutende Rolle, denn der Ausbau eines leistungsfähigen Eisenbahnwesens war noch im vollen Gange.
Der Übergang von der Agrar- zur Industriewirtschaft hatte auch gravierende Folgen für die Unternehmensstruktur, die sich von einer eher mittelständisch geprägten Wirtschaft mit Landwirten, Handwerkern, Manufakturen und Händlern zu einer von Großunternehmen in Ballungsgebieten dominierten Industriegesellschaft entwickelte. Das parallel wachsende moderne Bankwesen orientierte sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Großindustrie, sodass sich die mittelständischen Unternehmen insbesondere im ländlichen Raum mit eigenen Instrumenten Zugang zu Finanz- und Absatzmärkten schaffen mussten.
Der in der Mitte des 19. Jahrhunderts propagierte Genossenschaftsgedanke führte rasch zur flächendeckenden Gründung von Einkaufs-, Absatz- und Kreditgenossenschaften, die halfen, die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. In dieser Zeit kam es auch in der Binnenschifffahrt zu genossenschaftlichen Zusammenschlüssen. Aufgrund des stetigen technischen Wandels der Binnenschifffahrt war der Betrieb von Binnenschiffen auch zu jenen Zeiten bereits sehr kapitalintensiv. Schiffseigner waren gezwungen, in Reparatur-, Umbau- und Erneuerungsarbeiten, aber auch in wirtschaftlichere Neubauten zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Um den damit verbundenen Kapitalbedarf zu decken, entschloss man sich in den ostdeutschen Stromgebieten von Oder, Neiße und Warthe zur Gründung von Kreditgenossenschaften für die Binnenschifffahrt. Als erste entstand am 16. Mai 1911 in Landsberg an der Warthe der „Landsberger Spar- und Vorschußverein für Binnenschiffahrt eGmbH“. Die heutige „Bank für Schiffahrt“ war geboren.
Das Oderstromgebiet zählte damals zu den bedeutendsten Binnenschifffahrtsregionen Deutschlands und diente vor allem der Versorgung der Oberschlesischen Industriegebiete und - über die Kanäle - des Großraums Berlin. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges mussten viele Schwierigkeiten überwunden werden. Die wenigen überlieferten Dokumente, Unterlagen und Berichte zeugen trotz mancher Rückschläge von einer stetigen Aufwärtsentwicklung der Bank.
Durch die Folgen des Krieges hatten die Mitglieder der „Landsberger Schifferkreditgenossenschaft“ ihre Heimat und manche auch ihr Schiff verloren. 22 Mitglieder wagten am 20. Juni 1948 unter schwierigsten Umständen einen neuen Anfang unter dem Namen „Spar- und Vorschußbank für Binnenschifffahrt eGmbH“. Der Hauptsitz wurde nach Hannover verlegt. Bereits in den Jahren 1954 und 1955 wurden Niederlassungen in Berlin und Hamburg eröffnet. Weitere Zweigstellen wurden in Herne, später am Binnenschifffahrtskreuz Datteln, in Ludwigshafen, Duisburg-Ruhrort und Mannheim eröffnet.
Das „Deutsche Wirtschaftswunder“ brachte auch für die Binnenschifffahrt neue Marktchancen. Seit Mitte der 50er Jahre wurden von Partikulieren Schleppkähne mit eigenen Antriebsanlagen ausgerüstet, ältere Motorschiffe von Reedereien gekauft und auch neue Selbstfahrer gebaut. Die Bank sah sich erheblichen Kapitalanforderungen ausgesetzt, um ihren Mitgliedern die Anpassung an neue technische Erfordernisse und Marktherausforderungen durch ausreichende Kreditgewährung zu ermöglichen. Diese Entwicklung führte zu grundlegenden Strukturproblemen für die deutsche Binnenschiffsflotte, denn die Motorisierung der langsamen Schleppkähne brachte eine deutlich höhere dynamische Kapazität der Gesamtflotte, wodurch eine erhebliche Überkapazität entstand, der in der Folge ab Ende der 60er Jahre mit mehreren vom Binnenschifffahrtsgewerbe selbst finanzierten nationalen und europäischen Abwrackaktionen begegnet wurde. Gleichzeitig musste der verbleibende Schiffsraum kontinuierlich modernisiert werden, um ihn den steigenden Ansprüchen der Verladerschaft anzupassen und auch international wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür wurden und werden neben Bürgschaftsprogrammen der Länder zinsgünstige öffentliche Finanzierungsmittel des Bundes aus dem ERP-Binnenschifffahrtsprogramm der KfW zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden Existenzgründungen mit zinsverbilligten Eigenkapitalhilfeprogrammen gefördert.
Auch die deutsche Wiedervereinigung 1989 und die Liberalisierung der Binnenschifffahrtsmärkte mit Fortfall der Fest- und Margenfrachten im Jahre 1993 brachten für das deutsche Binnenschifffahrtsgewerbe neue Herausforderungen. Mit Fahrzeugen der nach der Wende weitgehend unbeschäftigten Binnenschiffsflotte der ehemaligen DDR-Staatsreederei DBR gründeten sich mehr als 200 Partikulierbetriebe – meist ehemalige DBR-Schiffsführer - neu. Auch im westlichen Teil Deutschlands trennten sich die Reedereien im Vorfeld der Marktliberalisierung weitgehend von eigenem Motorschiffsraum, der meist an die früher angestellten Schiffsführer verpachtet oder verkauft wurde. Mit diesen Entwicklungen wurde die mittelständisch geprägte Struktur des deutschen Binnenschifffahrtsgewerbes deutlich gestärkt.
Die Bank für Schiffahrt hat diese schwierigen strukturellen Änderungen stets begleitet und auch ihre eigenen Strukturen an die Entwicklungen der Branche angepasst. Diese Entwicklung sowie erhebliche Veränderungen in der Bankengesetzgebung machten auch Veränderungen in der Geschäftspolitik nötig. So wurde die Marktpräsenz der Bank in den 80er und 90er Jahren auf die Kopfstelle in Hannover und Zweigstellen in Berlin und Duisburg-Ruhrort gestrafft. Unter anderem veränderte Eigenkapitalvorschriften für Banken führten dazu, dass am 1. Juli 1991 eine Verschmelzung mit der Ostfriesischen Volksbank eG. Leer durchgeführt wurde. Seither lautet die Firmierung‚ Bank für Schiffahrt (BfS) Niederlassung der Ostfriesischen Volksbank eG.
Bei der BfS konnten Darlehen an Mitglieder und Kunden fortan zu günstigeren Konditionen angeboten werden, da eine relativ teure Refinanzierung über andere Kreditinstitute nicht mehr wie im vorherigen Umfang erforderlich war, sondern in stärkerem Maße auf Mittel der Kernbank zurückgegriffen werden konnte.
Dies kommt auch den heutigen, im Finanzierungsvolumen der Einzelanträge erheblich gestiegenen Anforderungen an Krediten sehr zugute. Der Finanzierungsbedarf in der Binnenschifffahrt wächst sowohl bei den Partikulierbetrieben, als auch bei den großen Binnenschiffsreedereien – trotz der fallenden Anzahl an Betrieben. Durch die Erweiterung der geschäftlichen Aktivitäten, speziell in den Niederlanden, wird erwartet, dass sich der Expansionsprozess der BfS weiter fortsetzt – und dies bei nach wie vor gesunden und grundsoliden Strukturen.
Die Geschichte der Bank für Schiffahrt macht deutlich, dass die Bank mit ihren markt- und kundennahen geschäftlichen Aktivitäten dazu beigetragen hat, mittelständischen Partikulierbetrieben bei der Überwindung tiefgreifender Marktstrukturänderungen und den Folgen politischer und kriegerischer Ereignisse zu helfen und deren Überleben zu sichern. Gleichzeitig unterstützte die Bank die Binnenschiffsreedereien erfolgreich bei der Erweiterung und Modernisierung ihrer jeweiligen Flotten. Infolge der Globalisierung und größer werdender europäischer Märkte kommen neue Herausforderungen auf das Verkehrssystem Binnenschifffahrt und Wasserstraßen zu. Maßgebliche Erfolgsfaktoren im Strukturwandel sind vor allem Flexibilität, kurze Entscheidungswege, schnelle Reaktionszeiten und unbürokratische Strukturen. Insofern sieht sich die Bank für Schiffahrt für neue Herausforderungen in der Zukunft gut gerüstet.
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