Geschichte der BfS

100 Jahre "Bank für Schiffahrt (BfS)"

Im Jahr 2011 feierte die Bank für Schiffahrt (BfS) 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass wurde ihre Geschichte der BfS niedergeschrieben.

Eine Erfolgsgeschichte

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm das Gütertransportvolumen infolge der Industrialisierung Deutschlands und des starken Anstiegs der Nachfrage nach Massenguttransporten von Baustoffen, Kohle, Erz, Eisen- und Stahlprodukten sowie Getreide immer mehr zu. Dabei spielte die Binnenschifffahrt in den großen Stromgebieten Oder, Elbe und Rhein eine bedeutende Rolle, denn der Ausbau eines leistungsfähigen Eisenbahnwesens war noch im vollen Gange.

Der Übergang von der Agrar- zur Industriewirtschaft hatte auch gravierende Folgen für die Unternehmensstruktur, die sich von einer eher mittelständisch geprägten Wirtschaft mit Landwirten, Handwerkern, Manufakturen und Händlern zu einer von Großunternehmen in Ballungsgebieten dominierten Industriegesellschaft entwickelte. Das parallel wachsende moderne Bankwesen orientierte sich in erster Linie an den Bedürfnissen der Großindustrie, so dass sich die mittelständischen Unternehmen insbesondere im ländlichen Raum mit eigenen Instrumenten Zugang zu Finanz- und Absatzmärkten schaffen mussten.

Der von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818–1888) und Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883) Mitte des 19. Jahrhunderts propagierte Genossenschaftsgedanke führte rasch zur flächendeckenden Gründung von Einkaufs-, Absatz- und Kreditgenossenschaften, die halfen, die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder wahrzunehmen. In dieser Zeit kam es auch in der Binnenschifffahrt zu genossenschaftlichen Zusammenschlüssen. Als Antwort auf die Bildung grosser, mit den Verladern verflochtener Reedereien, teilweise schwierigen Wettbewerbsbedingungen sowie die Herausforderungen der Binnenschifffahrtsmärkte bildeten sich zunächst Transportgenossenschaften und Schiffsversicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Den ersten genossenschaftlichen Zusammenschluss der mittelständischen Binnenschifffahrt gab es bereits 1898 unter dem Namen „Transport-Genossenschaft zu Berlin“.

Die Geburt der Bank für Schiffahrt (BfS)

Aufgrund des stetigen technischen Wandels der Binnenschifffahrt - Ersatz der Holzkähne durch Stahlschiffe, Übergang von der Schlepp- zur Motorschifffahrt - war der Betrieb von Binnenschiffen auch zu jenen Zeiten bereits sehr kapitalintensiv. Schiffseigner waren gezwungen, in Reparatur-, Umbau- und Erneuerungsarbeiten, aber auch in wirtschaftlichere Neubauten zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Um den damit verbundenen Kapitalbedarf zu decken, entschloss man sich in den ostdeutschen Stromgebieten von Oder, Neisse und Warthe zur Gründung von Kreditgenossenschaften für die Binnenschifffahrt. Als erste entstand am 16. Mai 1911 in Landsberg an der Warthe der „Landsberger Spar- und Vorschußverein für Binnenschiffahrt eGmbH“. Mit seiner Gründung erhielten die hierin organisierten Partikuliere - selbständige Schiffseigner mit bis zu 3 Binnenschiffen - im Oderstromgebiet erstmals eine finanzielle Grundlage für die Führung ihrer Unternehmen. Außerdem schafften sie sich neue Möglichkeiten für die Finanzierung von Reparaturen und Umbauten ihrer Schiffe sowie den Bau und die Anschaffung einer wirtschaftlicheren Binnenschiffsflotte, welche den Anforderungen der Märkte besser entsprach. Die heutige „Bank für Schiffahrt“ war geboren.
Das Oderstromgebiet zählte übrigens damals zu den bedeutendsten Binnenschifffahrtsregionen Deutschlands und diente vor allem der Versorgung der Oberschlesischen Industriegebiete und - über die Kanäle - des Großraums Berlin.

Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges mussten viele Schwierigkeiten überwunden werden. Die wenigen überlieferten Dokumente, Unterlagen und Berichte zeugen trotz mancher Rückschläge von einer stetigen Aufwärtsentwicklung der Bank.

Durch die Folgen des Krieges hatten die Mitglieder der „Landsberger Schifferkreditgenossenschaft“ ihre Heimat und manche auch ihr Schiff verloren. 22 Mitglieder wagten am 20. Juni 1948 unter schwierigsten Umständen einen neuen Anfang unter dem Namen „Spar- und Vorschußbank für Binnenschifffahrt eGmbH“. Der Hauptsitz wurde nach Hannover verlegt. Bereits in den Jahren 1954 und 1955 wurden Niederlassungen in Berlin und Hamburg eröffnet. In dieser Zeit firmierte das Kreditinstitut in „Bank für Binnenschiffahrt eGmbH“ um.

Weitere Zweigstellen wurden in Herne, später am Binnenschifffahrtskreuz Datteln, in Ludwigshafen, Duisburg-Ruhrort und Mannheim eröffnet.

Wirtschaftswunder bringt neue Chancen

Das „Deutsche Wirtschaftswunder“ brachte auch für die Binnenschifffahrt neue Marktchancen. Seit Mitte der 50er Jahre wurden von Partikulieren Schleppkähne mit eigenen Antriebsanlagen ausgerüstet, ältere Motorschiffe von Reedereien gekauft und auch neue Selbstfahrer gebaut. Die Bank sah sich erheblichen Kapitalanforderungen ausgesetzt, um ihren Mitgliedern die Anpassung an neue technische Erfordernisse und Marktherausforderungen durch ausreichende Kreditgewährung zu ermöglichen. Diese Entwicklung führte zu grundlegenden Strukturproblemen für die deutsche Binnenschiffsflotte, denn die Motorisierung der langsamen Schleppkähne brachte eine deutlich höhere dynamische Kapazität der Gesamtflotte, wodurch eine erhebliche Überkapazität entstand.

Seit 1969 wurde die strukturelle Überkapazität im Rahmen von mehreren vom Binnenschifffahrtsgewerbe selbst finanzierten nationalen und europäischen Abwrackaktionen abgebaut. Parallel ging die Zahl der gewerblichen Schifffahrtstreibenden in Deutschland von 3500 Unternehmen im Jahre 1962 auf 1.100 im Jahre 2007 zurück. Gleichzeitig musste der verbleibende Schiffsraum kontinuierlich modernisiert werden, um ihn den steigenden Ansprüchen der Verladerschaft anzupassen und auch international wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür wurden und werden neben Bürgschaftsprogrammen der Länder zinsgünstige öffentliche Finanzierungsmittel des Bundes aus dem ERP-Binnenschifffahrtsprogramm der KfW zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden Existenzgründungen mit zinsverbilligten Eigenkapitalhilfeprogrammen gefördert.

Auch die deutsche Wiedervereinigung 1989 und die Liberalisierung der Binnenschifffahrtsmärkte mit Fortfall der Fest- und Margenfrachten im Jahre 1993 brachten für das deutsche Binnenschifffahrtsgewerbe neue Herausforderungen. Mit Fahrzeugen der nach der Wende weitgehend unbeschäftigten Binnenschiffsflotte der ehemaligen DDR-Staatsreederei DBR gründeten sich mehr als 200 Partikulierbetriebe – meist ehemalige DBRSchiffsführer - neu.

Auch im westlichen Teil Deutschlands trennten sich die Reedereien im Vorfeld der Marktliberalisierung weitgehend von eigenem Motorschiffsraum, der meist an die früher angestellten Schiffsführer verpachtet oder verkauft wurde. Mit diesen Entwicklungen wurde die mittelständisch geprägte Struktur des deutschen Binnenschifffahrtsgewerbes in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestärkt.

Bank für Schiffahrt (BfS)

Unter der Firmierung „Bank für Schiffahrt, Handel und Gewerbe eG“ hat die BfS diese schwierigen strukturellen Änderungen seit 1968 begleitet und auch ihre eigenen Strukturen an die Entwicklungen der Branche angepasst. Mit der Namensänderung wurde nach außen hin dokumentiert, dass die Bank neben den mittelständischen Binnenschifffahrtstreibenden auch schifffahrtsnahe Unternehmen als Kunden gewinnen wollte. Diese Entwicklung sowie erhebliche Veränderungen in der Bankengesetzgebung machten auch Veränderungen in der Geschäftspolitik nötig. So wurde die Marktpräsenz der Bank in den 80er und 90er Jahren auf die Kopfstelle in Hannover und Zweigstellen in Berlin und Duisburg-Ruhrort gestrafft.

Unter anderem veränderte Eigenkapitalvorschriften für Banken führten dazu, dass am 1. Juli 1991 eine Verschmelzung mit der Ostfriesischen Volksbank eG. Leer durchgeführt wurde. Seither lautet die Firmierung‚ Bank für Schiffahrt (BfS) Filiale der Ostfriesischen Volksbank eG.

Bei der BfS konnten Darlehen an Mitglieder und Kunden fortan zu günstigeren Konditionen angeboten werden, da eine relativ teure Refinanzierung über andere Kreditinstitute nicht mehr wie im vorherigen Umfang erforderlich war, sondern in stärkerem Maße auf Eigenmittel der Kernbank zurückgegriffen werden konnte.

Dies kommt auch den heutigen, im Finanzierungsvolumen der Einzelanträge erheblich gestiegenen Anforderungen an Krediten sehr zu Gute. Der Finanzierungsbedarf in der Binnenschifffahrt wächst trotz der fallenden Anzahl an Betrieben. Die Modernisierung der Flotte steht nach wie vor im Vordergrund. Die Umstellung in der Tankschifffahrt von Einhüllen- auf Doppelhüllenschiffe ist für die nächsten Jahre eine Herausforderung für die Schifffahrtsbetriebe und die Bank. In der Trockenschifffahrt sind heute größere Schiffseinheiten als Einzelfahrer oder Koppelverbände gefragt, um neue Marktsegmente für die verladende Wirtschaft wirtschaftlicher zu erschließen. Auch in der Fahrgastschifffahrt bringen Änderungen der sicherheitstechnischen Anforderungen und eine auch in ihren Ansprüchen wachsende Freizeitgesellschaft neue Marktchancen für mittelständische Schiffseigner.

Die 100jährige Geschichte der Bank für Schiffahrt macht deutlich, dass der von der Bank und den sie tragenden Mitgliedern praktizierte Genossenschaftsgedanke aktiv dazu beigetragen hat, mittelständischen Binnenschifffahrtsunternehmen bei der Überwindung tiefgreifender Marktstrukturänderungen und den Folgen politischer und kriegerischer Ereignisse zu helfen und deren Überleben zu sichern. Infolge der Globalisierung und größer werdender europäischer Märkte kommen neue Herausforderungen auf das Verkehrssystem Binnenschifffahrt und Wasserstraßen zu. Maßgebliche Erfolgsfaktoren im Strukturwandel sind vor allem Flexibilität, kurze Entscheidungswege, schnelle Reaktionszeiten und unbürokratische Strukturen. Insofern sieht sich die Bank für Schiffahrt für neue Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten gut gerüstet.